Margit Kern - Akkordeon und Live-Elektronik

Joachim Heintz, Live Elektronik

Programm

Joachim Heintz Schlagschatten (2006)
für Akkordeon und Live-Elektronik
Charlotte Seither Herzform, Krater (2001)
für Solo-Akkordeon
Ali Gorji

Flatterflügel (2006)
für Akkordeon und Live-Elektronik

Samir Odeh-Tamimi

Tslalim (2007, Schatten)
für Solo-Akkordeon

Charlotte Seither Inventaire de départ (2006)
für Akkordeon und Live-Elektronik
   
   
   


KomponistInnen

Joachim Heintz SCHLAGSCHATTEN (2006)
für Akkordeon und Elektronik

Auftragswerk von Deutschlandfunk Köln

Dieses Stück handelt von Schlägen und von dem, was sich in ihrem Schatten ereignet. Es ist eine Art musikalische Untersuchung über das Leben in diesem Schatten; über das, was sich in ihm bewegt, was erstarrt, was wiederkommt oder sich verändert. Über Kräfte verschiedenster Art, in einem musikalischen Raum. Diese Musik möchte keine Abbildung sein und kein vordergründiger Protest, sondern Verarbeitung. Ein Verdauungsversuch sozusagen, am Rande der gegenwärtigen weltpolitischen Schläge. In einer ganz anderen Sprache als Hannah Arendt, in einem ganz anderen Modus, doch mit einem verwandten Blickwinkel, wie mir scheint. In ihrem Vorwort zu "Menschen in finsteren Zeiten" spricht sie von einem "unsicheren, flackernden und oft schwachen Licht", das im Leben Einzelner mehr als Begriffe und Theorien etwas Erhellung bringen kann. Musik mag ein solch flackerndes Licht sein.

Joachim Heintz

studierte zunächst Literatur- und Kunstgeschichte. 1995 Beginn des Kompositionsstudiums bei Younghi Pagh-Paan und Günther Steinke. Darin intensive Beschäftigung mit elektronischer Musik. Zusammenarbeit mit Videokünstlern. Nach verschiedenen Lehrtätigkeiten (u.a. in Musiktheorie und Gehörbildung) seit 2004 Dozent für elektronische Komposition an der Hochschule für Künste Bremen und der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Aufführungen seiner Werke in verschiedenen europäischen Ländern, den USA und Korea.

Ali Gorji Flatterflügel (2006)
für Akkordeon und Elektronik

Auftragswerk von Deutschlandfunk Köln

In einem Martin Heidegger gewidmeten Text von Hanna Arendt, wo es um das Denken und den Denker geht, werden unter anderem zwei Eigenschaften des Denkers angesprochen. Die eine ist seine Fähigkeit, "das eigentlich Resultathafte seines Gedachten aufzulösen und zwar einfach dadurch, dass er es aufs neue bedenkt." Die andere ist (im besonderen auf Heidegger bezogen) die Annahme des Denkens und des damit verbundenen Einsamseins als sein Wohnsitz, welcher trotz stürmischer Züge ein "Ort der Stille" ist. Diese faszinierenden Gedanken dienten dem Stück als ideelle Grundlage.

Der Titel bezieht sich auf einen Vergleich – spinnt man den Grundgedanken fort – des werdenden Denkers, der seinen Wohnsitz sucht, mit dem Schatten Zarathustras in Nietzsches "Buch für Alle und Keinen", der mit seinem Flatterflügel und zerbrochenen Rückgrat auf der Suche nach einem Heim ist.

Ali Gorji

wurde 1978 in Teheran geboren. Das durch die Lehre und die Unterstützung seiner Klavierlehrerin Farimah Ghawamsadri zunehmende Interesse an klassischer Musik, führte ihn zum Theorie- und anschließend Harmonie- und Kontrapunktunterricht bei Alireza Mashayeki, bei dem er seit 1996 Kompositionsunterricht erhielt. In dieser Zeit beteiligte er sich als Interpret und Komponist an Aktivitäten der von beiden Lehrern gegründeten "Musikgruppe Teheran", deren Tätigkeit sich hauptsächlich im Bereich der zeitgenössischen Musik befindet. Seit 2001 lebt er in Deutschland, wo er an der Hochschule für Künste Bremen bei Prof. Younghi Pagh-Paan Komposition studiert. Er erhält Unterricht in elektronischer Komposition bei Joachim Heinz und Analyse bei Andreas Dohmen. In diesem Jahr war er Stipendiat der Jeunnesses Musicales Deutschland und des ZKM.


Charlotte Seither Herzform, Krater (2001)
für Akkordeon

Zwei grundsätzliche Bewegungsformen bestimmen das Stück: Die klanglich changierende (mitunter auch in Punkte zerlegte) Linie sowie die schwere, langsam verfließende Masse. Beide Elemente werden auf verschiedene Weise
ineinandergeschoben, miteinander verkeilt und auseinander herausgezogen und bilden so ein dynamisches Gefüge, das von verschiedenen Formen des zeitlichen Verlaufs bestimmt ist. Gleichwohl fließt alles in sich zusammen und bildet einen nicht abreißenden, stets vorwärtsgerichteten Strom.

Charlotte Seither Inventaire de départ (2006)
für Akkordeon und Elektronik

Auftragswerk von Deutschlandfunk Köln

Ausgangspunkt war, dass ich die horizontale Linie, den stehenden Klang, aufspalten wollte in viele kleine, oft heterogene Partikel, aus denen sich Klang schließlich neu zusammensetzt. Es waren die Möglichkeiten der zwei sich beim Akkordeon weitgehend überlappenden Manuale, die mich reizten, den Klang so ineinander zu verschachteln, dass Bewegung/Impulsenergien in Farbe umschlagen und Farbe in Impuls/Bewegung. Was für die Aufspaltung des Tones im einzelnen Moment gilt, beschäftigte mich zugleich auch in den Syntheseverfahren der Elektronik wie auch in der Form im Ganzen: während die Partitur im einzelnen ein hoch virtuoses Notenbild aufweist, schlägt diese Komplexität durch die zunehmende Dehnung im Faktor Zeit schließlich um ins ruhig Flächenhafte.

Herzlichen Dank an Georg Morawietz und Gerd Rische vom Studio für elektroakustische Musik der Akademie der Künste, die mir bei der Realisierung des Zuspielbandes behilflich waren.

 

Charlotte Seither

wurde 1965 in Landau/Pfalz geboren und studierte Komposition, Klavier, Germanistik und Musikwissenschaft in Hannover und Berlin. 1998 promovierte sie bei Rudolf Stephan zum Doktor der Philosophie. Ihre Werke kommen bei zahlreichen internationalen Festivals zur Aufführung, u.a. mit dem BBC Symphony Orchestra London (2004), dem Tschechischen Rundfunksinfonieorchester Prag (2006), ASKO Kamerkoor (2005), beim IFWM-Festival Seoul (2003), GRAME Festival Lyon (2002), Prager Frühling (1995), Nuova consonanza Rom (2004), LACMA Los Angeles (2001) und Gaudeamus Amsterdam (2006).

Für ihre Orchesterwerke wurde sie 1995 mit dem 1. Preis im Internationalen Kompositionswettbewerb „Prager Frühling“ (1995) ausgezeichnet, 1994 mit dem 1. Preis im Kompositionswettbewerb des Göttinger Symphonie Orchesters (1994) und 2004 mit dem 1. Preis im Internationalen Kompositionswettbewerb „Ciutat de Palma/Spanien“. Daneben erhielt sie die Stipendien Cité des Arts Paris (1999), Palazzo Barbarigo Venedig (1993), Villa Aurora Los Angeles (2000) und Studienstiftung des deutschen Volkes (1987-91). Seit 1999 ist sie als Lehrbeauftragte an der Universität Magdeburg tätig, seit 2002 auch an der Hochschule für Künste Bremen.

Im Oktober 2006 wird Charlotte Seither auf Einladung des Goethe-Instituts mit einer Konzert- und Vortragsreise in Taschkent/Usbekistan zu Gast sein.

 

Margit Kern

Margit Kern, geboren 1967 in der Nähe von Darmstadt, studierte Akkordeon bei Hugo Noth an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen und bei Matti Rantanen an der Sibelius Akademie in Helsinki. Von Anneli Arho-Tiensuu wurde sie in der Analyse von Neuer Musik unterrichtet. Sie erwarb das nationale Montessori-Diplom. Der Abschluß ihrer Studien erfolgte mit der Konzertreife. Umfangreiche Stipendien des Evangelischen Studienwerks sowie diverse Preise ebneten den Weg zur künstlerischen Entfaltung.

Margit Kern ist erste Preisträgerin des „International Gaudeamus Competition for Interpreters of Contemporary Music“. Sie konzertiert in Solo-Rezitals und als Kammermusikerin mit Konzertreisen in fast alle europäischen Länder, in die USA und nach Süd-Korea. Ihre Tätigkeit führte sie bereits mit so renommierten Ensembles wie dem Kammerorchester Concerto Rotterdam, Ensemble l’art pour l’art oder Ensemble Avantgarde zusammen ebenso wie mit so wunderbaren Musikern und Musikerinnen wie S.Palm, M.van Staalen, D.Poppen, K.Rikus. Zeitgenössische Musik, darunter immer wieder finnische Literatur, bildet den Schwerpunkt ihres Repertoires. Vieles davon ist in Rundfunkmitschnitten und Produktionen dokumentiert. Zahlreiche Uraufführungen, darunter Werke von Earl Kim, Jukka Koskinen, Fabio Nieder, Bernfried Pröve, Babette Koblenz, Eckart Beinke, Gerhard Stäbler und Younghi Pagh-Paan, mit der sie eine enge Zusammenarbeit verbindet, lagen bereits auf ihrem künstlerischen Weg.

Im Oktober 2005 erschien ihre Solo-CD „HEART“ bei Edition Zeitklang.

Margit Kern verfolgt eine rege Kurstätigkeit. Die ergonomischen Bedingungen des Instrumentalspiels bilden einen inhaltlichen Schwerpunkt ihrer pädagogischen Arbeit. Sie ist eine gefragte Referentin und Dozentin. Sie folgte Einladungen zu Meisterkursen an der Sibelius Akademie in Helsinki ebenso wie zu Kursen in Österreich, Niederlande und Deutschland. Sie war unter anderem für das Jahr 2001 Gastdozentin am Fachbereich Musik der polytechnischen Hochschule Turku in Finnland.

Sie lehrt an der Hochschule für Künste, Bremen im Fachbereich Musik das Fach Akkordeon.

www.margitkern.de