Sonntag, 12.10.2003, 20 Uhr, Heinrich-Heine-Haus

Duo Interzone perceptible

Hans-Joachim Hespos

kaleidoskopes luftsilber [2001]
Michael Maierhof sugar 3 [2003] (UA)
  12* 5-Sekunden-Stücke
Gerhard Stäbler Kopffüssler [2002]
Jeff Kowalkowski Proooosla! [Performance, 2002]
Michael Rook burst [2002]
Daniel N. Seel Requiem [2002]
Volker Heyn outerzone [2002]
Hans Joachim Hespos stitch [2002]
Eric Flesher Apparatus of Lies [2003]
Juliane Klein Für danach [2003]
Kunsu Shim kurzschluss [2003]
Martin Schüttler porno [2003]
Man Bang Yi Dassot Hannah [2003]
Sven Hermann file [2003,UA]

2000-2002: Zusammenfassung der bisherigen Arbeit von Interzone perceptible (Bio IP, Stand Mai 2003):

Interzone perceptible, Anfang 2000 von dem Akkordeonisten Sven Hermann und dem E-Bassisten Matthias Hettmer gegründet, bediente sich als Inspirationsquelle zur Namensfindung aus William S. Burroughs "Naked Lunch". Der dort beschriebene fiktive Ort "Interzone", ein Ort, in dem Realität und Fiktion verschwimmen, erschien plötzlich wie ein Synonym für das angestrebte Arbeitsfeld, ein Ort, der buchstäblich zwischen allem steht. Alles wäre möglich. Und genau dies, was Anfang 2000 noch Wunschdenken war, entdeckt 2002 die Musikwissenschaftlerin Eva-Maria Houben wieder: "Grenzen zwischen Komposition und Improvisation, Auge und Ohr, U- und E-Musik werden transparent: Auch Filmmusik, auch performance, concept art, auch Klanginstallation, soundscape u.v.m. werden einbezogen (...)" [aus: Hören (3): zwischen Räume und Zeiten, zwischen Wirklichkeiten ... kopfHörer/experimentelle musik elektrovisuell 5./6. Juli 2002 in Bühl/Baden; Tageszeitung Acher und Bühler Bote, 25.6.2002]. Von Anfang an also definiert sich Interzone perceptible über ein ständig erweiterndes bzw. veränderndes, also fluktuierendes Arbeitsfeld, ist demnach eine Art "musikalisches Chamäleon". "Komponiertes Repertoire" steht gleichwertig der "konzeptionellen Improvisation", der "Performance", der "Stummfilmmusik", der "Klanginstallation" und dem "Soundscape" gegenüber. Der Einbezug von Elektronik [Elektrifizierung des Akkordeons, Verwendung elektronischer Effekte, CD-Zuspielungen...] ist inzwischen zum markantesten Aspekt des Interzone perceptible-Sounds geworden. Jedes Stück erhält hierdurch seine individuelle körperlich räumliche Klangfarbe und definiert somit immer wieder aufs Neue die Frage nach Ensembleklang oder Bandsound.

Interzone perceptible arbeitet ständig mit Komponisten der experimentellen und Neuen Musik zusammen, regt neue Werke für elektrifiziertes Akkordeon, E-Bass und Live-Elektronik an.

Folgende Komponisten haben bisher mit Interzone perceptible zusammengearbeitet: Antoine Beuger (Düsseldorf), Thomas Bruttger (Köln), Alvaro Carlevaro (Montevideo), Keith Carpenter (Milwaukee), Marko Ciciliani (Amsterdam), Eric Flesher (Los Angeles), Hans-Joachim Hespos (Ganderkesee), Volker Heyn (Karlsruhe), Manuel Hidalgo (Leonberg), Juliane Klein (Berlin), Jeff Kowalkowski (Chicago), Michael Meyerhof (Hamburg), Michael Rook (Seattle/Düsseldorf), Daniel Norbert Seel (Mandelbachtal), Kunsu Shim (Seoul), Gerhard Stäbler (Duisburg), Martin Schüttler (Karlsruhe). Desweiteren im Programm von Interzone perceptible sind Werke von Henry Purcell, Erik Satie, Sven Hermann und Interzone perceptible.

kaleidoskopes luftsilber spirits to akkordeon, e-bass (fretless) und elektroAkustische wandler (2001) von hans-joachim hespos [UA]

potentielle felder, auslöser von erscheinungen es ereignet sich empfindliches zusammenwirken von Unzusammenhang. electroChaotische zufälle und zustände permanenter veränderungen, unsicheres tasten, riskantes weiterführen. die elektrischen wandler wirken durchgängig dynamisch, autonom prozesshaft als instabile, als multiple changer/transmitter. (momente, flächen und strings von: metallisch glänzend, splitterSchroff, knarrstachlig, flach zersummt, waberschwarz, schulchStumpf, berstKnall, lichtschlag, weißweite brennungen, schnittspiegel, ... das NICHT-stück pendelt so und unvorhersehbar zwischen kaleidoskopischen prozessen voller unterschied, hart geschnitten nervösen wechselfolgen einerseits und zufallsStarren zum anderen, unvermutet jederzeit durchzogen von fragmenten jener "stillstehend zäh" bzw. "wie auf der stelle sich repetierenden" gestalten. [hjh]

UA 5.7.2002, Bühl/Baden Kompositionsauftrag der Stadt Bühl initiiert von Interzone perceptible

HANS-JOACHIM HESPOS (*1938)

einer der entschiedensten und konsequentesten Außenseiter des heutigen bundesdeutschen Musiklebens... arbeitete zunächst im Schuldienst... kompositorisch vorwiegend Autodidakt. 1964: Aufnahme der kompositorischen Arbeit. Die radikal dichte Expressivität der Werke sowie die großen, erfindungsreich verbalisierten Anforderungen an die Interpreten wiesen Hespos als genuin eigenständigen, extreme Positionen beziehenden Komponisten innerhalb der Avantgarde aus. Die Spieler bewegen sich in Grenzsituationen des Ausdrucks, des Spiels; die Sprengung der Norm, des vom Apparat Normierten, sucht in dieser radikalen Selbstentäußerung die "Hoffnung aufs Neu-Mögliche". Hörgewohnheiten werden unterlaufen und hintertrieben, in weit gespannter Dynamik zwischen exaltiertem Ausbruch und Zonen der Erschlaffung zerstückt. 1982 gründete er mit Werner Scheitza die "Kulturreibe von Hoyerswege", ein "Zentrum aktueller Taten", wo sich Diskussionen über anstehende Fragen aus Gesellschaftspolitik, Wissenschaft und Ästhetik mit Aufführungen avantgardistischer Musik ergänzen. Ziel war die Neuformierung eines Publikums, das sich vom "normalen" Konzertbetrieb zeitgenössischer Musik ausgeschlossen fühlt. In Ergänzung hierzu suchte Hespos stets mit Musikern zusammenzuarbeiten, die nicht im konventionellen E-Musik-Apparat tätig sind, um deren Offenheit für das Ungewöhnliche kompositorisch einzuarbeiten und wachzuhalten. [aus: "Komponisten der Gegenwart", edition text und kritik, München]

Sugar 3 für e-Bass und Akkordeon (2002/03), 16 min.

In der SUGAR-Reihe (bisher SUGAR 1 für Klaviertrio und SUGAR 2 für Qiuntett) steht eine bestimmte Klangerzeugung von Saiteninstrumenten im Zentrum der Stücke. Die Saiten werden nicht gezupft oder gestrichen, sondern mit Gegenständen angeregt, Reibung erzeugt Ton, die Gegenstände selbst werden dabei in Schwingung versetzt, dienen als "natürliche Verstärker" der Saitenklänge. Entsprechend wird der e-Bass mit Gegenständen wie Plastikbecher und Tupperdosen, Gläser und Papprollen bespielt und nicht über den pick up verstärkt, sondern mit Hilfe von Mikrophonen. Resultat u.a. ungewöhnlich hohe Frequenzen für einen e-Bass. Das Akkordeon produziert dagegen sehr tiefe Frequenzen mit Hilfe eines sehr einfachen Effektgeräts, eines whammys, das ausschließlich dazu eingesetzt wird, die Töne des Akkordeons zwei oder drei Oktaven tiefer klingen zu lassen, allerdings mit Nebeneffekten, die aus Fehlinterpretationen des Geräts eine neue Klangqualität den Akkordeonklängen hinzufügt. Durch die Überlagerungen mehrerer "Aktions-Kurven": Dynamikkurven, Positionskurven (der Gegenstände auf dem Griffbrett des e-Basses), Pedalkurven (für das Effektgerät des Akkordeons), Geschwindigkeitskurven erzeugen beide Instrumente komplexe Klangstrukturen.

Michael Maierhof

Maierhof, Michael (Hamburg). studierte Musik und Mathematik in Kassel sowie Philosophie und Kunstgeschichte in Hamburg.1988 erste Kompositionen. Seit 1990 liegt der Schwerpunkt bei der raumbezogenen Musik für Ensembles unterschiedlicher Besetzungen, der Entwicklung einer Präparationstechnik für Streichinstrumente sowie Forschungen über das Kreisen. Verschiedene Stipendien, darunter 1998 für die Cité Internationale des Arts, Paris. Auswahl der deutschen Gesellschaft für Neue Musik für die Weltmusiktage 1998, 1999 und 2000. 1998 und 2000 Aufführungen/Uraufführungen bei den Darmstädter Ferienkursen. 2001 lecture am Trinity-College in Dublin, 2002 lecture an der Musikhochschule Stuttgart, 2003 am Mozarteum in Salzburg, am California Art Institute in Los Angeles, am Centre for Contemporary Music in Dublin und der Hochschule der Künste, Hamburg Aufführungen in 2003: Antwerpen, Amsterdam, Berlin, Chicago, Los Angeles, Rotterdam, Dublin, Gent, Zürich, Winterthur, Dresden, Stuttgart, Utrecht, Madrid, Krakau, Toronto, New York, Hannover

5-Sekunden-Stücke

Im Sommer 2002 entstand die Idee dieses Projektes. Der Gedanke bestand darin, ob es für einen Komponisten möglich sei, in einer enorm kurzen vorgegebenen Gesamtdauer seine musikalische Individualität überzeugend ausdrücken zu können, und das sogar mit einer von uns gewünschten Vorgabe. Alle Komponisten wurden vor die Aufgabe gestellt, ein Stück zu schreiben mit einer maximalen (!) Gesamtdauer von 5 Sekunden, "as cruel as possible, trash, hardcore, punk", für elektrifiziertes Akkordeon, E-Bass und Live-Elektronik, mit/ohne Stimme, Komposition, konzeptionelle Improvisation, Performance, CD-Zuspielungen. Die ersten 5 in Auftrag gegebenen Arbeiten stammen allesamt von Komponisten, die bereits sehr eng, teils sogar mehrfach mit Interzone perceptible zusammengearbeitet haben. Und es funktioniert! In einer Aufführungsdauer von 0,2-2,0 Sekunden erklingt ein unverwechselbarer Hespos, Gerhard Stäbler schreibt ein Mini-Instrumental-Theater-Stück, was wie ein Konzentrat seines bisherigen Schaffens wirkt, in Outerzone scheint man Volker Heyn leibhaftig plärren, schreien und singen zu hören, Rook eröffnet selten gehörte dunkle Abgründe, wie sie selbst in Gothik- oder Industrial-Musik selten zu finden sind. Dabei ist jedes der Stücke keinesfalls als Statement oder bloßer musikalischer Fingerabdruck des Komponisten zu verstehen, jedes der Stücke entfaltet sich formal völlig individuell, erklingt in sich abgeschlossen. [ip, 7.01.2003]

weitere Informationen: http://www.interzone-perceptible.de